Eltern allein zuhaus… Die Empty Nest Phase gut meistern

Im Leben gibt es viele Übergangsphasen zu meistern: Die ersten Schritte eines Kleinkindes, die Rebellion der Pubertät, die erste tiefe Liebesbeziehung, die Familiengründung…

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Im Kontext von Psychotherapie und Beratung wird in letzter Zeit ein Phänomen verstärkt diskutiert, das eine spezielle Übergangsphase beschreibt, nämlich das Empty-Nest-Syndrom. Darunter versteht man eine Anzahl von Belastungsfaktoren, die bei Eltern entstehen können, wenn ihre Kinder aus dem gemeinsamen Haushalt ausziehen. Zurückgeblieben im leeren Nest, leiden sie an Gefühlen von Trauer und Einsamkeit. So wie die Wohnung sich leer anfühlt, kann sich auch eine schmerzhafte innere Leere in Müttern oder Vätern breitmachen.

Es scheint, als sei das Empty-Nest-Syndrom in den letzten Jahrzehnten gewachsen. In Deutschland gibt es beispielsweise bereits Selbsthilfegruppen für Betroffene „Empty Nest Moms“. Dafür mag es unterschiedliche Gründe geben – ich möchte mich in diesem Beitrag vor allem mit Lösungsansätzen aus Sicht des Psychotherapeuten beschäftigen. Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung und weil das Thema insgesamt mehr Frauen als Männer betrifft, beschreibe ich hier die mütterliche Perspektive.

Wenn der Auszug eines Kindes eine große Lücke im Leben einer Mutter hinterlässt, kann man sich der Lösungsfindung auf folgenden Ebenen nähern:

- Die Ebene der Beziehungsgestaltung: Jede Familie entwickelt Aspekte der Eltern-Kind-Beziehung automatisch im Alltag, wie etwa Kommunikationsformen, gemeinsame Rituale, Erziehungsfragen und vieles mehr. Wenn Kinder dann ausziehen, endet dieser intensive tägliche Austausch. Neue Formen der Kommunikation müssen gefunden werden und neue Rituale des Zusammentreffens vereinbart werden. Aufkommende Fragen sollten offen und bewusst besprochen werden: Wie oft, wo und wann wollen wir einander begegnen? Wie gehen wir mit Besuchen um, jetzt, da wir nicht mehr zusammen wohnen? Welche gemeinsamen Rituale sollen beibehalten, welche verändert werden? Wie grenzen wir uns voneinander ab und wie finden wir auch wieder zusammen? Wer hat dabei welche Bedürfnisse und wie können diese angeglichen werden, ohne dass ein starker Mangel oder Überdruss entsteht?

Die Klärung dieser Fragen ist für Eltern und Kinder ein Prozess, der nicht einfach abgeschlossen, sondern immer wieder neu gestaltet wird. In meiner Erfahrung als Familientherapeut habe ich gelernt, dass der offene Austausch sowohl im „frischen“ Empty Nest als auch in den Jahren danach hilfreich ist. Jeder Abschied – wenn auch auf Zeit – ist mit etwas Trauer verbunden. Und Loslassen ist dabei eine aktive Leistung, um die sich Eltern bemühen sollten.

- Eine Frage des Rollenverständnisses: Jeder Mensch gestaltet sein Leben durch unterschiedliche Rollen, die er oder sie in sozialen Beziehungen bekleidet. So ist man beispielsweise Mutter und gleichzeitig auch Partnerin, Tochter, Freundin, Managerin – und schließlich auch ein eigenständiger Mensch für sich. Jede dieser Rollen stellt unterschiedliche Anforderungen und wird in wechselnden Anteilen ausgelebt.

Durch die Anforderungen von Familienalltag und Erziehungsaufgaben kann die Rolle der Mutter über Jahre im Vordergrund stehen und einen Großteil des Denkens, Fühlens und Handelns bestimmen. Mit dem Auszug der Kinder ist diese Rolle deutlich weniger gefordert und es können sich tiefe Gefühle von Verlust und Trauer einstellen. Dann macht es Sinn, sich aktiv auf andere Rollen im Leben zu besinnen: Wie könnte man diesen mehr Raum geben und sie aktiv zur Geltung bringen? Was macht eine Partnerschaft aus, die sich 20 Jahre lang hauptsächlich mit den Kindern beschäftigt hat? Welche neuen Fragen werden an die Zweisamkeit gestellt? Und vor allem auch: Welche Haltung bringe ich mir selbst entgegen und wie will ich nun mein Leben als Frau gestalten? Dabei geht es um ganz praktische Themen, zum Beispiel, womit man seine Zeit in Beruf und Freizeit verbringen will, aber auch um tiefere Sinnfragen auf dem weiteren Lebensweg.

Oft kann es hilfreich sein, sich diese Fragen im Rahmen eines Selbsterfahrungs- bzw. Therapieprozesses mit professioneller Unterstützung zu stellen. Auch der Austausch mit Gleichgesinnten ist in einer solchen Phase eine wichtige Quelle von Unterstützung und Inspiration. Generell gilt: Bewusstes Hinblicken auf den Veränderungsprozess erlaubt, Gefühle von Abschied und Trauer bewusst wahrzunehmen. Und in weiteren Schritten geht es dann ans aktive Gestalten!

Kann eine Psychotherapie für mich hilfreich sein?

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Die Entscheidung, mit Psychotherapie zu beginnen, kann aus den unterschiedlichsten Beweggründen getroffen werden und ist immer eine ganz individuelle Angelegenheit. Viele Menschen sind sich am Anfang nicht sicher, ob und wie der therapeutische Prozess hilfreich für ihr Leben sein kann.

Die folgenden Zeilen sollen als Anhaltspunkte und Entscheidungshilfe dienen bei der Frage, wann psychotherapeutische Begleitung Sinn machen kann. Dabei geht es um Veränderungen im Leben, um den Umgang mit Emotionen und um Bewältigungsstrategien.

Psychotherapie kann unter anderem in folgenden Situationen hilfreich sein:

- Sie sehen sich mit einem äußeren Ereignis, einer Lebenskrise oder einem Schicksalsschlag konfrontiert, welche(r) Sie stark belastet oder momentan überfordert.

- Sie möchten für sich wichtige Lebensfragen reflektieren und klären.

- Sie haben eine außergewöhnliche Belastung oder ein traumatisches Ereignis überwunden und leiden immer noch stark unter den Nachwirkungen Ihrer Erlebnisse.

- Sie befinden sich in einer familiären oder beruflichen Übergangsphase, die derzeit Ihre Kräfte übersteigt.

- Sie wurden Opfer von Mobbing oder sozialer Ausgrenzung.

- Sie benötigen Beratung und Unterstützung bei Fragen der Kindererziehung oder bei fortgesetzten Konflikten im familiären Zusammenleben.

- Sie haben das Gefühl, dass sich Ihr seelisches Befinden ganz allgemein verschlechtert hat.

- Stress und Belastungen nehmen überhand und Sie leiden unter Symptomen wie Unruhe, Schlafbeschwerden, Gedankenkreisen.

- Sie kämpfen mit Gefühlen von Traurigkeit, Lustlosigkeit, Verzweiflung oder Antriebslosigkeit.

- Sie haben Gewalt oder Missbrauch erfahren.

- Sie empfinden Angst vor bestimmten Situationen, Menschen oder Objekten und erleiden dadurch Einschränkungen in Ihrer Lebensqualität.

- Sie und Ihr(e) PartnerIn leiden unter wiederholten Beziehungskonflikten, für die Sie sich eine Lösung wünschen.

- Sie denken darüber nach, dass Sie so nicht mehr weiterleben wollen oder haben konkrete Suizidpläne.

- Sie leiden unter körperlichen Beeinträchtigungen, Krankheitssymptomen oder Schmerzen, die nach ärztlichen Untersuchungen keinen Befund ergeben haben.

- Sie bemerken, dass sich Ihre Wahrnehmung der gewohnten Realität stark verändert hat und dies Ihre Lebensqualität beeinträchtigt.

- Sie leiden unter Suchtverhalten oder einer psychischen oder körperlichen Substanzabhängigkeit.